24.11.2009

ASt-Denken

Ewiggestrige prämoderne und altmoderne Aufklärungsidealisten glauben wohl immer noch, Dummheit wäre durch "mehr Bildung" zu beheben oder zumindest einzudämmen.

Die sind keineswegs auf der Höhe der post- und bahnmodernen Zeit und haben immer noch nicht begriffen, dass im Zeitalter der Globalisierung, Digitalisierung und Piratisierung die systematische Entwicklung eines immer raffinierter ausgefeilten operationalen Denkens in "Artificial Stupidity" angezeigt ist, abzukürzen "ASt". Um diese neue trendige Denktechnik wirklich in allen Lebensbereichen voll zum Einsatz bringen zu können, ist anspruchsvolle Schulung mit umfangreichen Wissensinhalten angezeigt.

Denn ASt ist das genaue Gegenteil von ordinärer Blödheit und Schussligkeit und sollte schon deswegen nicht unbedingt als "künstliche Dummheit" eingedeutscht werden. Die fortlaufende Weiterentwicklung von ASt-Strategien ist schon deshalb besonders zukunftsträchtig, weil hier im Gegensatz zur guten alten "Künstlichen Intelligenz" (AI) ein unermesslich weites und tiefes Gebiet vor uns liegt, auf dem in absehbarer Zeit der Mensch mehr leisten kann als jede Maschine.

Denn ordinäre Dummköpfe begehen nur kleine Fehler, die ihnen einfach nur so passieren. Wer aber wirklich große Dummheiten begehen will, muss sich viel dabei denken und vor allem mit entschiedenem Willen zu komplexer Schlauheit sich deutlich gegen die dummen Massen abheben. Ein systematisch ASt-geschulter Geist setzt sich beispielsweise höchst absichtsvoll auf einen Ast, um durch sein Körpergewicht die Wirkung der Säge höchst gravitätisch zu erhöhen und um so durch planvoll eingesetzte Synergie-Effekte von Schneide- und Schwerkraft die Säge besser zu amortisieren. Simple Dummköpfe hingegen sägen einfach den Ast ab, auf dem sie sitzen. Wer da behauptet, das sei effektiv dasselbe, hat ganz einfach keine Ahnung von Physik, BWL, Zeit- und Salmiakgeist.

Oder nehmen wir ein Beispiel aus dem Geschäftsleben: Dumme Geschäftsleute stellen -sage wir mal - Schuhe zum Selbstkostenpreis von 3 Euro das Paar her und verkaufen sie zum Endpreis von 2 Euro das Paar, in der Hoffnung, dass die massenhafte Nachfrage des Billigproduktes irgendwie den Gewinn einbringt. So geht das natürlich nicht.

ASt-geschulte Wirtschaftseliten entwickeln hier natürlich langfristig nahgelegte Marketing-Strategien, in denen mit einer raffinierten Kombination aus angebotsorientierter Ökonomie und neokeynesianischem "deficit spending" durch risikokalkulierte taktische Niedrigpreise (nur wer nicht auf der Höhe der Zeit ist benutzt hier noch das hässliche Wort "Dumping") ein relevanter betriebswirtschaftlicher Beitrag zur Steigerung der Massenkaufkraft geleistet wird, in dessen Verlauf dann viele Kunden, durch Billigpreise vermögend geworden, sich durchaus willig und in der Lage sehen, auch mal für zum "Markenartikel" erklärtes verschnickschnacktes Schuhwerk ein Vielfaches vom Selbstkostenpreis hinzublättern.

Wer hier langen Atem, ausreichend Kapitalrücklagen und/oder geduldige Kreditgeber hat, kann langfristig in marktbeherrschende Positionen aufsteigen.(Vorausgesetzt, eine entsprechend fortschrittliche Wettbewerbsaufsicht nimmt entsprechend Abstand von veralteten Prinzipienreitereien.) Wer nicht, hat samt Mitarbeitern jedenfalls einen wesentlichen Beitrag zur Beschleunigung des Wachstums von Umsätzen, Insolvenzen und ASt-strategischen Denkfortschritten geleistet. Wer das nicht kapiert, hat ganz einfach keine Ahnung von Marktwirtschaft, Massenpsychologie, Welt- und Weingeist.

Beispiele für ASt-Denken in Politik und Geistesleben liegen auf der Hand. Ersparen wir uns Einzelheiten. Hier hat es schon lange Traditionen gegeben, die unter Bezeichnungen wie "großes" oder "tiefes" Denken die modischen Erscheinungen von ASt vorweggenommen haben. Wie sagte doch so schön der tiefste Denker aller Zeiten über den größten Feldherrn aller Zeiten: "Nur wer groß denkt, kann auch groß scheitern." Ein schönes Beispiel für sinnvolle Synergie einfacher und künstlicher Dummheit, das in eine große Zukunft weist.

Wer demgegenüber meint, es käme beim Denken nicht so sehr auf Größe oder Tiefe, sondern vielmehr auf realitätsbezogene Richtigkeit an, ist ganz einfach nicht auf der Höhe der Zeit, sondern krebst ganz primitiv auf dem Boden der Tatsachen herum. Wie gewöhnlich!

Copyright bei Gerd Hansson, Universität Kiel / Lieben Dank für die Erlaubnis, J. Jakob