05.02.2012

"Betroffenheit" als Resultat - Wenn Macht sich dauernd produziert.


Sehr geehrte Leserinnen und Leser

Ich erhielt in einem anderen Zusammenhang die Zitate von Foucault. Sie zielen auf einen bestimmten Blick auf das "Entstehen von Macht und dessen Wirkung" ab.

Wenn ich nicht falsch projeziere, ergeben für mich viele Beiträge zur Hochsensibilität und Hochbegabung eine Aussage wie "zurückgeworfen, abgelehnt und damit betroffen" zu sein - wovon auch immer: Rücksichtslosigkeit, Ablehnung wegen Unverständnis, Zuweisungen, Abwertungen, zu viel Lärm, Gestank, Information, Geschmack, Druck, etc. Eigentlich ein Machtmoment: Jemand macht sich breit und achtet sich nicht. Folge davon: die HB/HS-Person "leidet"  darunter.

Würde meine Beobachtung zutreffen, müsste es möglich sein, die "Machtsituation" gleich erkennen zu können und damit auch, dagegen anzugehen, so dass ich mich schützen und allenfalls auch wehren bis verteidigen kann. Sogar die Prävention ist mir denkbar.

Hier erst einmal Foucaults Zitate:

EIN PAAR ZITATE VON MICHEL FOUCAULT


Man sage nicht, die Seele sei eine Illusion oder ein ideologischer Begriff. Sie existiert, sie hat eine Wirklichkeit, sie wird ständig produziert – um den Körper, am Körper, im Körper – durch Machtausübung an jenen, die man bestraft, und in einem allgemeineren Sinne an jenen, die man überwacht, dressiert und korrigiert, an den Wahnsinnigen, den Kindern, den Schülern, den Kolonisierten, an denen, die man an einen Produktionsapparat bindet und ein Leben lang kontrolliert. [...] 


Diese wirkliche und unkörperliche Seele ist keine Substanz; sie ist das Element, in welchem sich die Wirkungen einer bestimmten Macht und der Gegenstandsbezug eines Wissens miteinander verschränken; [...]. 


Über diese Verzahnung von Machtwirklichkeit und Wissensgegenstand hat man verschiedene Begriffe und Untersuchungsbereiche konstruiert: Psyche, Subjektivität, Persönlichkeit, Bewußtsein, Gewissen usw.; man hat darauf wissenschaftliche Techniken und Diskurse erbaut; man hat darauf die moralischen Ansprüche des Humanismus gegründet. Doch täusche man sich nicht: man hat an die Stelle der Seele, der Illusion der Theologen, nicht einen wirklichen Menschen, einen Gegenstand des Wissens, der philosophischen Reflexion oder technischen Intervention, gesetzt. Der Mensch, von dem man uns spricht und zu dessen Befreiung man einlädt, ist bereits in sich das Resultat einer Unterwerfung, die viel tiefer ist als er. Eine „Seele“ wohnt in ihm und schafft ihm eine Existenz, die selber ein Stück der Herrschaft ist, welche die Macht über den Körper ausübt. Die Seele: Effekt und Instrument einer politischen Anatomie. Die Seele: Gefängnis des Körpers.
Foucault, Michel (1994): Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses . Übers. von Walter Seitter. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 41f. OA: Surveiller et punir. Naissance de la prison. Paris 1975


Das Wort Subjekt hat einen zweifachen Sinn: vermittels Kontrolle und Abhängigkeit jemandem unterworfen sein und durch Bewußtsein und Selbsterkenntnis seiner eigenen Identität verhaftet sein. Beide Bedeutungen unterstellen eine Form von Macht, die einen unterwirft und zu jemandes Subjekt macht.
Foucault, Michel (1987): Das Subjekt und die Macht. Übers. von Claus Rath und Ulrich Raulff. In: Dreyfus, Hubert L.; Rabinow, Paul: Michel Foucault. Jenseits von Strukturalismus und Hermeneutik. Frankfurt a. M.: Athenäum, S. 246f.


"Die Aufklärung, welche die Freiheiten entdeckt hat, hat auch die Disziplinen erfunden." - Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Suhrkamp Verlag Frankfurt/Main 1994, 1. Auflage, ISBN 978-3-518-38771-9, S. 285R


"Die Macht ist nicht etwas, was man erwirbt, wegnimmt, teilt, was man bewahrt oder verliert; die Macht ist etwas, was sich von unzähligen Punkten aus und im Spiel ungleicher und beweglicher Beziehungen vollzieht." - 
Sexualität und Wahrheit. Der Wille zum Wissen. Suhrkamp Verlag Frankfurt/Main 1983, 1. Auflage, ISBN 978-3-518-28316-5, S. 94.


"Macht ist ein produktives Prinzip in der Gesellschaft. Sie bringt Wissen hervor, erschafft durch ihre Kontrolle das Individuum und ganze Institutionen und Techniken." - Überwachen und Strafen, 1975
Wenn ich mir also bewusst mache, dass Macht keine statische Bestimmung ist, sondern ein fortwährend neu entstehender und immerwährender, dynamischer Prozess, dann habe ich eine viel grössere Chance, die nächste Situation selber zu bestimmen, zu gestalten und so zu "mach(t)en", dass es sich für mich besser leben lässt - ich bin nicht mehr durch ein statisches Machtverhältnis bestimmt (jedenfall weniger).

Was will uns Foucault sagen? Er sagt: Es gibt gar keinen Raum, in welchem wir ohne Verhältnis wären. Wir stehen dauernd in Verhältnissen, ob im Aussen zu Anderen und Anderem oder im Innen, im Verhältnis zu uns selbst, als Identität und als Selbstverwirklichung (Profil).

Wenn wir IMMER im Verhältnis stehen, besteht IMMER ein Kräftezehren - man könnte es "Wettbewerb" nennen. In diesem Wirken des Wettbewerbsmomentes zwischen den Verhältnissen, egal von wem zu wem, lebt das Moment der Macht: Wer ist die/der Stärkere? Wer bestimmt den Moment? Wer weist dem anderen das unmittelbare Sein zu?

Wenn ich mir also bewusst mache, dass Macht keine statische Bestimmung ist, sondern ein fortwährend neu entstehender und immerwährender, dynamischer Prozess, dann habe ich eine viel grössere Chance, die nächste Situation selber zu bestimmen, zu gestalten und so zu "mach(t)en", dass es sich für mich besser leben lässt - ich bin nicht mehr durch ein statisches Machtverhältnis bestimmt (jedenfall weniger).

Ich finde das eine immens wichtige Erkenntnis, um sich mit seiner eigenen Situation für sich und im Bezug zu den anderen innerlich zu orientieren und zu verhalten - ich bin mit meiner HB/HS nicht unweigerlich irgendwie "Opfer", nein, ich habe Möglichkeiten der Umgestaltung.

Herzlich grüsst
Jona Jakob

01.02.2012

Verlinkung: Vertrauen als Ressource

Sehr geehrte Leserinnen und Leser

Mit diesem Link geraten Sie zu meinem zweiten Blog. Dort publiziere ich vermehrt Coachingthemen und Gedanken zur Persönlichkeitsentwicklung oder dem Meistern des Lebens selbst.

Diesmal geht es darum, dass Vertrauen keine Abhängigkeit sein muss sondern eine Ressource sein kann:

http://jonajakob.blogspot.com/2012/02/vertrauen-als-eigene-ressource-ein.html

Viel Lesespass und beste Grüsse

Jona Jakob