31.12.2012

Wenn geschaffenes Verstehen die Prägungen einer Hochbegabung wettmacht! Ideal.


Angekommen?

Ich danke dem Autoren für die Erlaubnis, den Text hier publizieren zu dürfen. Es handelt sich um eine persönliche Vorstellung in einem Internetforum zum Thema Hochbegabung. Der Autor steht mitten im Leben, ist also gestanden Erwachsener und ist beruflich engagiert.  
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Ich bin neu hier und daher ist es zunächst einmal angebracht, sich in wenigen Worten vorzustellen. Nur wer ist man selber eigentlich? Vermutlich denke ich viel zu viel, zumindest wird mir das andauernd nachgesagt. In der Arbeit muss ich zum Beispiel Fachkonzepte lesen, teils im Rahmen einer Qualitätssicherung, teils weil sie auch für mich eine Arbeitsgrundlage darstellen. Natürlich mache ich so etwas nicht völlig alleine, und so errege ich immer wieder Aufmerksamkeit durch meine Fragen. Irgendwo entdecke ich eben doch immer wieder die Lücken in einer längeren Argumentationskette oder mir fällt auf, dass feststehende Fachbegriffe etwas unorthodox angewendet werden. Nun, etwas als falsch hinzustellen, das kommt nicht immer gut an, also lasse ich es besser. Schließlich möchte ich nicht in die Rolle des ewigen Besserwissers geraten. Stattdessen bemühe ich mich bei Kritiken um einen "sokratischen" Ansatz, das heißt also Fragen stellen, um dem Gegenüber die Möglichkeit zu geben, seinen Fehler in Grazie bemerken und ausmerzen zu können. 

Was von mir erwartet wird ist die Fähigkeit, in (formalen) Modellen zu denken. Das hört sich einfach an, macht sogar Spaß, zumindest mir. Nun bin ich aber auch realistisch genug, von anderen keine ungeteilte Zustimmung zu erwarten. Modelle haben nun einmal als wesentliche Elemente Syntax und Semantik, sodass das Arbeiten mit ihnen Disziplin, aber auch sehr viel Vorstellungsvermögen erfordert. Und so ist es letztlich kein Wunder, dass das Arbeiten mit Modellen bei den meisten Menschen nicht gar so gut ankommt. Dabei hat das Modellieren auch ein sehr spielerisches Element. Gedanken und Ideen als Spielzeug, warum eigentlich nicht?  

Mir fällt generell auf, dass in vielen Diskussionen mit Vokabeln um sich geschmissen wird, deren Bedeutung offensichtlich nicht richtig verstanden wurde. Meist reicht ja schon eine ganz simple Verständnisfrage, um anschließend die merkwürdigsten Reaktionen erleben zu dürfen. Okay, ich nehme alles viel zu akribisch genau, kann mich in Details festbeißen - aber doch nur im Bemühen, das mir Gesagte verstehen zu wollen. Wer "Sherlock Holmes" gelesen hat, dem ist doch nur zu gut bekannt, dass sein Freund Dr. Watson sicherlich keine schlechten Beobachtungen macht und auch seine Schlussfolgerungen an sich nicht falsch sind. Das Dumme ist eben nur, dass er scheinbar unwichtigen Details nicht die angemessene Aufmerksamkeit schenkt.  

Auf der anderen Seite ist gerade das Weglassen von Details eines der wesentlichen Erfolgsgeheimnisse physikalischer Modellbildung. Es gibt eben nicht den EINEN Denkansatz, mit dem sich alle Probleme lösen lassen. Teilweise ist es völlig angemessen, mit schlichtem "Hand Waving" zu argumentieren während man sich an anderer Stelle wohl oder übel um das Detail bemühen muss. In mathematischen Beweisen ist dieser schnelle Wechsel absolut keine Seltenheit. 

Eine weitere Beobachtung: Ich interessiere mich für Informatik, (Versicherungs)mathematik und juristische Fragestellungen gleichermaßen. Eigentlich sollte diese Vielseitigkeit für den Arbeitgeber eine tolle Sache sein. Gleich drei Qualifikationen gegen die Zahlung eines einzigen Gehalts? So ein Angebot müsste doch eigentlich ein verlockendes Geschäft sein. Nur wird daraus leider nichts, denn im Fachbereich darf ich keine Informatik treiben und in der Anwendungsentwicklung keine Versicherungsmathematik. Zugegeben, ich vergaß einfach die Schubladen, wohl eher unter dem Begriff "Stellenbeschreibung" bekannt.  

Entgegen gängigen Vorurteilen interessiere ich mich auch noch für Sprachen, aber nicht so sehr für Fremdsprachen, sondern eher für die geschichtliche Entwicklung von Sprachen. Dabei kommt man dann sehr schnell darauf, das es sich bei Latein keineswegs um eine "tote" Sprache handelt. Sie hat sich eben nur weiterentwickelt, wobei sich dann die modernen romanischen Sprachrn herauskristallisiert haben. Vermutlich verhält sich,wenn man so will,  Französisch zu Latein wie Neuhochdeutsch zu Althochdeutsch. 

Gut, das war jetzt eine kleine Abschweifung, denn Thema diese Beitrags ist ja nicht Sprachgeschichte, sondern die Vorstellung des neuen Mitglieds.  

Sie sehen, ich habe bisher das Wort "Hochbegabung" nicht in den Mund genommen. Eigentlich ist es mir auch völlig egal, ob ich nun die Kriterien eines Hochbegabten erfülle. Ich bin nun einmal so wie ich bin. Sicher, In den Augen vieler Bekannter und Freunde durchdenke ich zu viele Entscheidungen, wohlwissend, dass es im Grunde genommen gar nicht einmal so schrecklich viele Überraschungen gibt, wie man gemeinhin annimmt. Wohl gemerkt, ich habe damit jetzt nicht gesagt, dass das Leben frei von Überraschungen sei. Aber mit etwas Nachdenken (jetzt werde ich vermutlich belächelt), lassen sich viele sogenannte Überraschungen aus dem Wege räumen oder zumindest naheliegende Vorkehrungen treffen. Ein möglicher Einwand gegen eine als "übertrieben" angesehene Vorausplanung seiner Handlungen könnte etwa lauten, dass man sich damit des eigentlich Spannenden im Leben beraubt. Ein derartiger Einwand ist ja gar nicht einmal von der Hand zu weisen, reicht mir persönlich aber nicht aus, eingefleischte Gewohnheiten abzulegen. Wem Nachdenken Spass macht, der wird es sich nun einmal nicht mehr abgewöhnen wollen.  

Was erwarte ich in dieser Gruppe? - Im Grunde genommen nur, Menschen kennenlernen zu dürfen, die über den doch sehr engen Tellerrand des Alltäglichen hinausdenken, die im Sinne der Aufklärung den Mut haben, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen. Wann immer ich glaube, eine Mehrheitsmeinung zu teilen, dann kann ich mich einer gewissen Skepsis kaum noch erwehren. Irgend etwas scheine ich dann vermutlich nicht bedacht zu haben. Den Mut zum Anderssein, den möchte ich mir einfach nicht nehmen lassen. Dennoch, ein paar wenige Gleichgesinnte schaden nicht. In diesem Sinne freue ich mich auf diese Gruppe und viele anregende Diskussionen. 

Liebe Grüße, 


Ich hatten den Wunsch, diesen Text hier zu veröffentlichen, weil an ihm mE relevante Aspekte erkennbar werden:

1: Der Autor pflegt mE ein engagiertes, waches Bewusstsein für sich selbst, aber auch hinsichtlich seines Umfeldes. Das ist die Form, wie ich mir als Coach einen Umgang mit dem Thema Hochbegabung vorstelle: keine Stigmatisierung sondern bewusster Umgang hin zum konkreten Handeln.

2: Man kann im Text erkennen, was die Normalowelt braucht, damit etwas brauchbar wird - man sieht aber auch, was man noch nutzen und potentieren könnte - wo also noch Chancen stecken, nimmt man sich die Mühe, einem Hochbegabten länger zuzuhören, bis man ihn verstanden hat. Das ist für die Normalowelt anstrenged, aber vielleicht gerade das Alleinerkennungsmerkmal innovativer Lösungen. 

3: Der Beitrag erzeugt mE eine Stimmung, eine Embiance, wo niemand bewertet wird. So können HB-Geprägte und Normalos einen guten Weg miteinander finden. Solcher Umgang, so mein Credo, fördert das gegenseitige Verständnis und damit das Vertrauen - .. und es macht Spass.

Herzlichen Dank.

Jona Jakob