31.07.2016

Warum eigene Bedürftigkeit einem gesellschaftlich und beruflich "unbrauchbar" macht und einen gefangen hält

Dieser Beitrag handelt von einem Thema, in welches jeder Mensch reinrutschen kann. Weil dabei die Wahrnehmung von jemandem langsam aber sicher verloren geht und sein 'Für'Wahr'Nehmen' ein unbewusstes Zerrbild darstellt, lohnt sich kein Tag in diesem Zustand höherer Not. 

Ich appelliere selten, ich nutze selten meine Fachkenntnis als Coach, um offensiv auf einen Missstand im Miteinander hinzuweisen. Doch zu diesem Thema will ich mich deutlich machen, da es zu oft vorkommt, zu oft erscheint und zu kläglich verbleibt, wenn niemand da ist, der einem die Augen auswischt, auch wenn das im ersten Moment schmerzlich sein kann. Das verantworte ich. 



Einleitung - allgemeines Wissen:


Mangel: 

Wenn der Mensch einen Mangel verspürt, weckt das in ihm - ob er will oder nicht - bewusste aber auch viele unbewusste Bedürfnisse. Ein bewusstes Bedürfnis ist z.B., wenn ich nun das Bedürfnis verspüre, diesen Beitrag zu schreiben. 

Motivation:

Ein Bedürfnis besteht aus einem Mangel = Motiv und dem Antrieb, diesen Mangel zu befriedigen 'Lokomotion'. Beides zusammen gibt die Motivation. Wir haben mehr unbewusste Motivationen, die uns antreiben, als bewusste, als für uns erkennbare Motivationen, warum wir etwas tun und wie wir etwas tun. Das macht uns für uns selber teilweise 'blind', wird aber um so eher von anderen wahrgenommen. 





Bedürfnisse:

Maslow zeichnete uns seine Bedürfnispyramide

            5. Selbstverwirklichung
         4. Statusbedürfnisse

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3. Anerkennungsbedürfnisse / Akzeptanz / Angenommenheit / Liebe
   2. Sicherheitsbedürfnisse
1. Grundbedürfnisse


Die Bedürfnisse 1. - 3. sind 'existenziell'. Sie sind so wichtig, dass der Mensch im jedem Alter zu Grunde / zu Tode geht, wenn sie nicht erfüllt werden. Daher ist die Isolationshaft mit dem 3. Bedürfnis nach Annahme, Anerkennung und Kontakt eine Folter, auch für Erwachsene. Kleinkinder, so wurde bewiesen, sterben, wenn sie keine Nähe, keine Liebe und soziale Wärme erhalten, so wichtig ist dieses 3. Bedürfnis. 



Bedürftigkeit - Wie sieht meine Not aus?


Was ist für mich 'Bedürftigkeit'?:

Bedürftigkeit entsteht für mich als ein Notzustand, wenn ein Bedürfnis nicht in einer Art 'Normalmass / Normalhäuffigkeit' erfüllt wird. Wenn also ein Mangel über jedes normale Mass hinaus anwächst. Das lässt sich an einem Bankkonto erklären: 
  • Plusbestand auf dem Konto und alles ist gut. Ganz wichtiges Erkennungsmerkmal am sozusagen 'positiven Kontostand': Solche Menschen können
    a) einen eigenen Willen definieren 

    b) sind coachbar, da die Selbstbestimmungskompetenz intakt ist. Solche Menschen haben Anteile, die sie gesellschaftlich geben können: zuhören, Empathie, Bereitschaft, Verantwortung 

    c) sind in der Lage, solches fürs Miteinander anzubieten.
  • Ein Konto kann auch um ca. 20% mal im Minus sein, für ein paar Tage; nicht so gut, aber geht vorbei. Man kennt seine Krise, schützt sich und hat in sich aber die Idee, sofort wieder da rauszukommen, da man im Miteinander für andere einen Anteil Geben miteinfliessen lassen möchte. 
  • Und dann kann ein Konto bodenlos ins Minus fallen, seit Jahren, ohne noch erkennbaren Wert, wie ein Fass ohne Boden, man merkt es schon nicht mehr. In der Psychologie nennt mann einen solchen Zustand "Ver'wahr'losung" eines seelischen Zustandes. 

Normalverlauf:

So wäre es normal, wenn ein Mensch seine soziale Akzeptanz in der Familie, bei Freunden und Kollegen erfährt, mal normal, mal gelobt und geliebt, angenommen, aufgehoben. Vielleicht fällt man mal in etwas Ungnade, weil man für die anderen nicht recht war, man erhält Schimpfis, wird fortgeschickt, die Liebe ist etwas entzogen. Doch wenn alles normal bleibt, ist man doch das Kind seiner Eltern, man bleibt unter seinen Mitmenschen 'ok' und man findet per Friede, Verzeihen, Sühne, Strafe, etc. wieder zurück. Die Annahme, die Anerkennung folgt wieder, die Selbstsicherheit ist gegeben. Hoch und Tief liegen beieinander. Wir wachsen daran. 

Abweichung vom Normalverlauf: 

Es gibt unzählige Gründe, warum ein Mensch aus diesem Normalverlauf hinausfallen kann:
  • gebürtige
  • anerzogene
  • nie emanzipierte
  • persönliche
  • eigen'artige
  • fremde
  • unverstandene
  • unerkannte
  • unangenommene
  • verlorene
  • schicksalhafte
  • gesundheitsbedingte
  • gesellschaftliche
  • etc. etc. etc. (es gäbe noch viele mehr, sehr viele mehr)

Man hat wegen einem oder mehrerer solcher Gründe nicht nur ein kleines Liebe-Minus auf dem Konto des Lebens, sondern das Minus wächst und wächst und wächst: 
  • man wird nicht verstanden
  • man wird nicht angenommen
  • man wird abgelehnt, weggestossen, gemobbt
  • man fühlt sich nicht (mehr) angenommen
  • man fühlt sich abgelehnt, aussen vor behalten
  • man fühlt sich nicht geliebt, nicht akzeptiert, nicht wertvoll, nicht schön, nicht ok
  • man verliert sein Selbst'Wert'Gefühl
  • man verliert seine Selbst'Sicherheit

Nicht selten ist man unter all den anderen Menschen eine Art von 'allein', man ist in dieser Position 'einsam', 'verloren', 'lost'. Man fühlt sich dabei auch kraftlos, wertlos, einflusslos, ohnmächtig, unsicher, desorientiert, etc. 


Not-Zustand:

Dieser Notstand eines Mangels an fehlender Sozialer Anerkennung ist desaströs, um es beim Namen zu nennen. Er verunmöglicht die eigene Identität und lässt einem das eigene normale Dasein verlieren, ob man will oder nicht. Meist geschieht das mehr unbewusst als bewusst. Und wenn es einem doch teilweise dämmert, weiss man oft nicht, woran es liegt und was man dagegen tun könnte. Die Lösungen scheinen einem unmenschlich. Das Problem scheint einem auch unmenschlich. Die Spirale dreht sich ins Bodenlose. 

Unterbewusste 'Strategien' des Not-Zustandes:

Der Mensch will überleben. Bevor wir fühlen und denken können, so dass es uns bewusst würde, fängt jeder Mensch früher an, zu überleben - da läuft ein anderes Programm an. Unser Wesen beginnt, Strategien zu entwickeln -  Überlebensstrategien. Und wenn unsere Not ein Mangel ist (siehe oben), wird die Strategie lauten: Sauge ab, wo du kannst, in der Gassensprache: YOU SUCKS!. Ob kleinkindlicher Klammergriff oder hungrige Saugeschnute, wir fangen an, in allem und jedem an- und abzusaugen, was uns der Alltag an Gelegenheiten gewährt:
  • man sucht andere Menschen, die sich aussaugen lassen (Wärme, Essen, Wohnen, Liebe, Geld, Gehör, Gruppengefühl der Dazugehörigkeit, etc)
  • man sucht in allem und jedem Anerkennung
  • man bettelt nach Komplimenten, Kontakt, Empathie, Zuspruch, Gesehenwerden
  • man ist 'fishing for compliments'
  • man bietet nicht an, man biedert sich an, hoffend, gelobt zu werden
  • man wird überaufmerksam, hoffend, man würde geliebt, anerkannt, aufgerufen, etc. 
  • man macht sich mit Nichtigkeiten zum Affen, um Aufmerksamkeit zu erhalten
  • man offeriert Angebote, die man nicht halten kann, hoffend, jemand nehme an und wir seien feine Menschen
  • man bettelt um Kontakt
  • man ist auf allen Kanälen omnipräsent, steht wie ein Hündchen zu jeder Tageszeit und wedelt affig
  • man erklärt sich fortzu, rechtfertigt sich, redet sich die Situation 'erklärbar', man redet sich raus
  • man formuliert und erläutert etwas unzählige Male, als wäre das eine liebliche Handreiche
  • man weiss dabei kaum, wo einem der Kopf steht, man verliert sein Selbst'Bewusst'Sein
  • man erzeugt Aufmerksamkeit
  • man glaubt, wegen Liebe dies und das und noch etwas anderes zu müssen
  • man bricht ein, wenn einem die Liebe abhanden kommt (die nie eine Liebe sondern ein Überleben war)
  • man meidet Menschen, welche die Not nicht mit einem teilen (die können  mich halt nicht verstehen!)
  • man sucht Menschen, die einem in dieser Not halbwegs akzeptieren oder sogar bestätigen
  • man bettelt bei Arbeitgebern, man kann schwer verhandeln, verlieret Einkommen und Rechte, etc.
  • man verzerrt so Projekte, Vorhaben, Ziele, Schritte, Entwicklungen, Beziehungen, Verträge, etc.  
... diese Aufzählung könnte noch lange weitergeführt werden, 

    Bedürftige interagieren so, dass nicht unser Miteinander gedeiht, sondern die eigene Notlage genährt wird.
      Man ist in einer solchen Not schlicht un'möglich (nicht aushaltbar / nicht anstellbar / nicht brauchbar / nicht engagierbar / etc). Man wird zum Opfer, Loser und Bettler. Man hat nicht bei der kleinsten angebotenen Tasse Tee für einen Moment eine eigene trockene Insel unter den Füssen, nein man steht bis über den Scheitel im eigenen Seelenschmerz und atmet diesen, labt sich daran, an diesem Schmerz, man verdaut ihn und finden es normal, dass es nicht anders als so (elend) ist. 

      Was kann ich tun?


      Lösungswege:

      Ist es richtig, so zu leben? Muss ich das? Will ich das? Bin ich zumutbar, wenn ich das 'so' belasse? Hat es etwas mit meiner Selbstverantwortung zu tun, mich um diese Not zu kümmern? Diese Fragen gelten nicht grundsätzlich - sie gelten aber im Kontext der Idee, mit anderen Menschen in einem stimmigen Miteinander bestehen zu können.

      Ich will so viel sagen: Wer sich nicht damit befasst und belässt, was als Not im Argen liegt, der darf sich nicht verwundern, wenn die Menschen von ihm abrücken und nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen. Es mag verständnisvolle und auch mehr ablehnende Formen geben, wie einen andere Menschen ablehnen und auf Distanz halten, doch letztendlich ist es an mir, mich meiner Situation zu stellen. 


      Was man davon hat? Bitte notieren Sie sich von jedem Punkt oben, der negativ ist, die positive Erscheinung und sie haben einen Teil davon, was wieder alles gut und normal sein wird, geliebt, angenommen und lebbar. Aber wenn Sie weiter Opfer Ihrer Bedürftigkeit sind, so dass nicht Sie Ihr Leben bestimmen, sondern es Ihre unterschwelligen Überlebensstrategien  für Sie tun, bleiben Sie ein nicht länger aushaltbarer Partner, der gar kein Partner ist, weil alles, restlos alles, was von Ihnen kommt, nicht nach Partnerschaft, Freundschaft oder korrektem Miteinander strebt, sondern nach Überlebensenergien, die einseitig durch Sie von anderen abgesaugt werden. Und wenn ich, JJ, das noch so krass beschreibe - Sie haben das nicht im Griff. 

      Für mich als Fachperson bleiben Sie auch in diesem Zustand 'ok'. Es ist ok in Not zu sein. Aber jeder ist ebenso ok, wenn wer deutlich signalisiert, dass es Zeit ist, diese Not mit jemandem zu klären. Denn wer Ihnen dies deutlich signalisiert, der will sich nicht von Ihnen abwenden, der wünscht sich vielmehr, mit Ihnen in einem stimmigen und gegen'seitigen Verhältnis stehen zu können, in einem echten Kontakt zueinander. 


      Herzlich willkommen. 


      Jona Jakob

      Zürich Bern Frankfurt

      http://www.consensus-coaching.com

      Nachtrag: 
      Ich habe diesen Blogbeitrag von Jan. 2014 aufdatiert und neu gepostet. Das Problem oder das Thema zeigt sich immer wieder. Parallel einher geht meine Entwicklung als Coach, bedürftigen Personen weder Zeit, Raum oder ein Coaching anzubieten, da es
      • nichts bewirken wird 
      • es nicht als Selbstarbeit sondern als angesaugte Rettungshoffnung verstanden wird 
      • die Menschen nicht wirklich bei sich sind, auch nicht nach viel Aufmerksamkeit
      Dieser Umstand zwingt mich als Coach die Profession zu klären, dass ein Angebot unseriös wäre und angenommenes Honorar versteckter Betrug wäre. Ich will das nicht und tue es nicht. Was ich tun mag ist, dass ich versuche zu erklären, dass hochbedürftige Menschen sich erst heilen lassen sollen, durch welche Praktiken auch immer. Das ist und bleibt ok. Auch dort muss aber bewusst werden, dass man von sich selber eines Tages ablassen wollen muss - sozusagen gefragt: "Ab wann bin ich selber nicht mehr mein Thema?" Ab da kann Fortschritt und Loskommen erreicht werden und der Weg zum Prospektiven, allenfalls durch Coaching begleitet, entstehen. Denn COACHBAR ist nur, wer ein unbetroffenes Mass an SELBSTBESTIMMUNGSKOMPETENZ hat. Die muss gegeben sein, sonst sollte man vom Begriff 'Coaching' absehen und es würdig Heilen, Praktizieren, Therapieren nennen.

      14.07.2016

      Lernen auf eine Prüfung hin - subjektive Beobachtungen


      Ich muss zur Zeit für eine kleine Prüfung Fakten lernen, die ziemlich vorgegeben sind. Dabei notiere ich die nächste Frage als Titel auf ein Whiteboard und danach fange ich an, meine Antwort zu verfassen bzw. die Antwort, die gemäss Vorlagen erwartet wird. Da gibt es Aufgaben, die Aufzählungen beinhalten, markiert mit Bulletpoints.

      Und nun zur Beobachtung: Noch während ich vor der Tafel stehe und erste Punkte notiere, langweilt mich die Sache so sehr (turnt ab), dass ich nach ca. 4 Angaben prompt prokrastiniere ... ich schweife ab, setze mich hin, schaue auf den Bildschrim, etc ... bloss notiere ich nicht noch weiter 6 Angaben, so dass die Antwort vollständig wäre.

      Zu doof, zu langweilig, zu stupend, zu wenig zusammenhängend, zu statisch, zu faktisch - empfinde ich.

      Dann merke bzw. checke ich, dass ich gerade abschweife, stehe sofort wieder auf und diszipliniere mich regelrecht für die letzten 6 Angaben, auf dass die Liste vollständig ist und die Prüfungsfrage beantwortet.

      In mir sträubt sich alles. Sowas homogenisiert. Der/die Prüfungsexperte / in sind nur so in der Lage, zu evaluieren, ob ich den Anforderungen entspreche. Mein mögliches Wissen wird also in ein Mass und eine Form gezwungen, welches nicht schlau ist, sondern bloss prüfbar.

      Es mag tausend rechtschaffene Gründe für Standardwissen geben, aber mein Wesen langweilen die nicht nur, sie fühlen sich für mich erniedrigend an, weil mich das nicht selber denken lässt.

      Ich will das nicht bewerten, obwohl man ja lesen kann, dass es mir schlecht geht damit. Aber ich möchte es gerne beobachtet und beschrieben haben.

      Beste Grüsse
      Jona Jakob