27.09.2019

Dass zwei Brainies heiraten ...

Es mag sein, dass es mich selber am meisten erstaunt. Aber vielleicht ist es für jemanden doch von Interesse: Elke und ich, beide durch die Merkmale einer Hochbegabung geprägt (wenn auch sehr unterschiedlich in der Ausprägung), haben geheiratet.

Es lässt sich auch bei uns nicht abstreiten: Fürsorgerechte, Erbinteressen, Verantwortungsklarstellung, etc. sind Gründe, wieso wir im Alter 50+ noch geheiratet haben.

Bei uns gibt es aber seit acht Jahren in unseren Wesen tiefe Bezüge, ein verankertes Verstehen und sich ergänzen, Zuversicht von Anfang an und eben gefühlt eine grundlegende Liebe zueinander und füreinander.



Unsere Vorgeschichten, die zeitlich vor dem Bekanntwerden des Themas 'Hochbegabung bei Erwachsenen' liegen, sind beide gekennzeichnet durch tiefste Rückschläge, Aberkennung, Wegweisen und viel gesellschaftlichem Unverständnis. Beide haben wir erste Ehen hinter uns, die nicht gut endeten, beide haben wir viel materielle Substanz als Verlust zurücklassen müssen, beide mussten wir mitten im Leben neu anfangen.

Die Anfänge hatte ein jeder für sich gerade frisch getan - da kannten wir uns noch nicht. Einen ersten Kontakt fanden wir über Skype - unser Gespräch dauerte über drei Stunden. Zwei Tage später ging ich abends nicht mehr zu mir nach Hause. Ich blieb.

Heute, acht Jahre später, leiten wir drei Geschäfte, haben über 15 Angestellte, arbeiten zwischen Frankfurt, Zürich und München und sind wieder 'etabliert'. Es mag komisch klingen, aber wir sind bis in den Tod versorgt. Gut bürgerlich und in aller Ordnung.

Was wir unternehmerisch noch zwei Mal erfahren mussten:
Uns langweilte ein Franchisegeber mit seinem Management und eine Marketingunion mit ihrem Management. Zur Zeit stellen wir uns gänzlich auf unabhängige Beine, alleine um uns von lahmen Köpfen, die uns noch bestimmen wollen, fern halten zu können. Denn wir haben nicht nur aufgeholt. Die Lebenskrisen haben uns zur rechten Zeit einen Schub verliehen, der uns 10 Jahre vor dem Ruhestand an die Spitze unserer Möglichkeiten, sprich Selbstverwirklichung, schob. Wo wir sind, ist für uns vorn. Wir gehen daher proaktiv der Digitalisierung und unserer Alters-Aufgabengestaltung entgegen. Wir gründeten wubss.de - Zukunft für Übermorger.

Obwohl beide in klassischen Berufsfeldern arbeiten, musste es diesen eigenen Spielraum geben - die lange Leine. Verdienst und damit Geld machen uns eine Menge möglich. Unterdessen sind es die Lächelnden von vor 10 Jahren, die uns hinterhergucken.

Original, ca. von 1980

Was wir tun: Wir leben unsere Stärken und Fähigkeiten ohne Rücksicht aus. Wir denken schnell, entscheiden, planen, setzen um und checken gleich, was wir davon hatten. Leerlauf: sofort weg. Ideales: sofort in Tagesroutine bringen. Wichtig: Die Selbstprüfung, täglich: Wo verhindert mein Wesen ein Gelingen? Wem gehe ich mit mir auf den Geist? Wen vergraule ich mit meiner Art? Wo gewinne ich, wenn ich so bin, wie ich bin.

Vor 10 Jahren, als bei XING alles begann zum Thema Hochbegabung, war noch alles anders. Heute mag ich mein Dasein und meine Möglichkeiten. Und ich möchte die Dinge, wie ich sie oben zeige nicht als Protzen verstanden haben. Was ich möchte ist: Habt weiterhin Mut und Kraft, versucht und sucht euren Weg. Gebt nicht mit 30 auf, was mit 50 blühen kann. Befreit euch von Konventionen und Korsagen, die rauben einem die Luft.

Ich hoffe sehr, euch geht es allen gut und ihr könnt auch vom Glück schreiben. Wer gerade zweifelt, was um ihn/sie herum geschieht, dem/der wünsche ich Zuversicht. Die Beziehungsthematik ist unter Begabten und Sensiblen immer wieder ein Thema, was viele bewegt - oder damals jedenfalls bewegt hat. Elke und ich haben es zur Zeit bis in ein etabliertes Leben geschafft, uns ist es möglich geworden.

Lieben Dank und Gruss

Jona Jakob, Aschaffenburg

06.09.2019

Hochsensibiliät in der Rolle als Unternehmer/In

Diesen Beitrag verfasse ich als Selbstbericht und als Hochbegabter, der einen enormen Anteil Hochsensibilität in sich vereinbart. Und auch als Mensch, der über seine Dienstleistungen in den letzten Jahren mehr und mehr Unternehmer wurde.


Hallo zusammen

In den letzen Jahren wurde ich mehr und mehr Unternehmer. Das Coachingangebot erhält eine Ausbildung, die Ausbildung erhält eine Infrastruktur, neben dem Coaching kommt Verkaufen ins Spiel. - In der selben Zeit wurde ich sowohl Mitglied einer Geschäftsleitung für 20 Angestellte und Gründer einer Serviceagentur für Unternehmercoaching, welche die Inhaber von Unternehmen im Fokus hat.

Diese letzten Jahre sind nicht viel anders, als wie wenn man ein IKEA-Regal zuhause auspackt. Neben den neu erscheinenden Brettern, Planken, Fächern und Kleinmaterialien, die noch zusammenzubauen sind, fällt eine Menge Karton und Einwickelpapier an und muss entsorgt werden. Neues tritt in den Vordergrund, doch viel "Verpackung" ist auch und muss fort.

Die beiden zentralen Prozesse während des Wandels,
  • das Hervorbringen des Neuen und 
  • das Wegfallen der nicht weiter nutzbaren Verpackung,
erzeugen in mir quantitativ wie qualitativ enorme Gefühlsanstrengungen, mehr als es mir lieb ist bzw. ich zu verkraften vermag.


Klarheit und Distanz am Arbeitsplatz hilft mir, Ruhe  und Struktur zu wahren. - Jona Jakob, 2019.


Das Abfallen

Wenn man sich entwickelt, egal wobei, wird man nicht umhinkommen, vormalig Angelegtes abstreifen zu müssen. Das Alte muss weg. Ist Naturgesetz, kommt man nicht darum herum. 
  • Man verlässt Orte, Räume, Lebensformen
  • Man verliert Menschen 'just so' ...
  • Man verliert Menschen aufgrund der Veränderung, z.B. Distanzen
  • Man verliert Menschen aufgrund aufzulösender Bindungen wie z.B. Verträge
  • Man verliert Menschen, die einem nicht mehr folgen mögen
  • Man verliert Menschen, weil man sich nicht mehr wie früher kümmert
  • Man verliert Menschen, die ablehnen, was man anstrebt
  • Man verliert Menschen, mit denen man sich nicht mehr auszutauschen weiß
  • Man verliert Menschen, mit denen man plötzlich im harten Wettbewerb steht
  • Man verliert Menschen, mit denen man nicht mehr das selbe Leben teilt

Man könnte nun sagen, das muss doch nicht sein. Doch, es "ist so", die eine oder andere Erscheinung lässt sich nicht verhindern, ist man ja in einer Beziehung nicht alleine, sondern auch auf der anderen Seite gibt es Bewegung, Entwicklung und Änderung. So gut wie ich jemanden verlieren kann, gehe ich jemand anderem verloren. Unterdessen gibt es den Verlust durch den Tod, wo du am hilflosesten zurückbleibst und weiter ohne diese gestorbenen Menschen lebst. Mein Vater starb, Stephan und Renate ... alles Herzmenschen, die in den letzten Jahren abhanden kamen und mich selbst dabei anzählen. 


Das Aufbauen

Entwicklung ist ein Prozess, der in den meisten Fällen gesucht und gewollt ist. Wenn man scheitert, prozessiert man vielleicht eher ungewollt. Aber sonst sucht man sich Ziele und neue Formen, Weiterentwicklung und Aufstieg aus und will das erreichen, wie wenn man einen Berg besteigen will.
  • Man evaluiert mit Hochspannung und Neugier
  • Man bereitet Vereinbarungen vor und taktiert
  • Man lernt Neues kennen - auch neue Menschen
  • Man erahnt bereits die Veränderung und wie es dann sein wird
  • Man sieht das Neue vor sich und spürt Demut vor Glück
  • Man taumelt getrieben umher zwischen Können, Glück, Schicksal und Plan
  • Man wartet und wartet und wartet und wartet und wartet ... tausend Dinge sind abzuwarten
  • Man macht etwas fest - getting things done
  • Man ist nun .... aufsmal ist man angekommen
  • Man sollte schweigen, den Mund halten, stille sein, nicht gleich kund tun
  • Man gewinnt, siegt, hat den Erfolg für sich, steigt auf, nimmt ein, realisiert 
  • Man koppelt sich ab, steht neu da
  • Und man hat wenig zu feiern, ob wohl doch, aber bitte nicht zu sehr anzeigen
  • Man schweig und schweigt und schweigt und schweigt und schweigt ... 

Zwischen Warten, Schweigen, Abfallen und Zugehen bzw. Entstehen entsteht ein ganz spezieller Mix an Strängen, die alle am Gerüst meiner Gefühle zerren - oder eher noch: Die das Mass meiner verkraftbaren Gefühle zum Überlaufen bringen. Ich bin dann wie unter Hochdruck und hätte gerne ein Ventil, um Druck abzulassen. Zudem deckelt mich dieser Druck, ich kann also Gefühle nicht ganz ausleben, werde am Limit coupiert. Du fürchtest dich, du leidest, du bist von Schmerz verzehrt. Manchmal von Wut, Aggression, Kraft und Mobilisierung. Dann schütteln dich die warmen Momente, Menschliches, Schicksal und Ohnmacht. Ängste schleichen umher, Befürchtungen, angespanntes Abwarten. Die Freude bricht durch, die Teilfreude, Etappensiege, nächste Schritte, endlich geht es voran. Dir wird geholfen, du realisierst deine Träume, es gibt Grund zum Feiern - aber du feierst nicht. Und in all dem bist du selbst mit deinen Glaubenssätzen, deinem Zweifel, dem vielen Denken - und fühlst. Was ich alles fühle, ist mir dann sehr oft und unkontrollierbar zu viel. Mein Wesen dissoziiert zum Schutz seiner selbst - koppelt sich ab. 

Ich fühle das alles. Über Jahre. Und gerade in diesen Monaten und Wochen, in denen ich jetzt schreibe, ist die Fülle an Gefühlen wieder einmal größer als ich es gut ertragen kann und gerne nutze. Im Moment ist enorm viel im Einzelnen und ein schier Unnachvollziehbares, was das Ganze betrifft.

Und so mag meine Begabung mir viel Leben bescheren, doch manchmal "scheitert" sie nicht zu gering am Gefühlskuddelmuddel, heute so sehr gezähmt oder dann eben nicht rausgelassen, so dass es in mir tobt und ich sonst so "normal" wirke. Das ist der Spagat der Anspannung pur.

Nächste Wochen heiraten Elke und ich - und ich hoffe, ich darf mich danach wieder beruhigen. Als Unternehmer ist noch genug Wandel, der mich mehr schüttelt, als nur rührt. :-)

Herzliche Grüße
Jona Jakob