30.04.2017

Hochsensibilität im Notzustand ist oft ganz was anderes als "Ich kann nicht mehr!"

Diesen Beitrag schreibe ich, weil ich aktuell davon betroffen bin und meinen Zustand nach den Jahren zu beschreiben vermag. Mein Notzustand besteht seit ca. zwei Monaten, wovon er sich jetzt zuspitzt und ich bewusst Massnahmen dagegen ergreifen muss, ansonsten ich wie "kaputt" gehe und sich das dann lange nicht wirklich "wieder herstellen" lässt.

Nach bald zehn Jahren Thema Hochsensibilität steht meist ...

  • Unverständnis
  • Nicht-Akzeptanz
  • Ablehnung
  • Lächerlichmachen
  • etc.
im Raum. Der 'Raum', das ist das gegenseitige Verständnis, welches in dem Moment herrscht oder entsteht, wenn ein Hochsensibler sagt: "Ich kann nicht mehr." 


"Ich kann nicht mehr!" - Was meint das?


Im ersten Moment würden wir alle sagen: Wir alle wissen, was damit gemeint ist, wenn jemand sagt: "Ich kann nicht mehr." Vom kindlichen Rumrennen, vom Wandern, vom Schulstress oder von einer Arbeit, bei der man lange stehen muss oder schwer heben - davon ist man auf einer linearen Strecke an Leistung erschöpft und kann (meist kräftemässig / körperlich / physisch nicht mehr). Man hat einen Formabfall, die Leistungskurve sackt nach unten, die Messwerte fallen.

Das ist die Form der Erschöpfung, wo sich jemand pustend und schnaufend kurz zur Seite stellt, sich hinsetzt, seinen Körper ruhen lässt, auf dass der wieder Kraft schöpft - nach einer Pause. 

Selbst wenn jemand von Wetterstrapazen unterkühlt ist und klappernd einbricht, verstehen wir das "nur körperlich". Eine Pause mit Ruhe, Trockenheit und Wärme ... und der Mensch rappelt sich wieder auf. 

Auch wenn jemand Emissionen nicht verträgt, zu viel Licht, zu viel Lärm, zu viel Giftstoffe oder allergisch machende Stoffe - so muss halt da jemand davon verschont werden. Pause für den Körper von dieser Belastung, die erneut wie eine körperliche Belastung "verstanden wird". Man stärkt die Person, in dem man den Körper entlastet, das Materielle des Körpers: die Augen, die Ohren, die Nase, beim Essen, bei Hautberührungen - einfach verschonen und erholen lassen. 

Das sind alles Formen von Erschöpfungen und vermutlich längst nicht alle - von seelischen Formen schrieb ich nicht. Wir Betroffenen erliegen nicht selten genug dem Gedanken, der Körper sei einfach belastet und daher sei auch die "Batterie leer". 


Arterhalt und Sieg als das Mass der Dinge - anerzogen und in den Genen


Die Gründe für diese Sichtweise / dieses Verständnis, eingeschlossen die Art und Weise wie darauf reagiert wird, ist einfach erklärt: Unser millionenjahre alter Trieb, die eigene Art zu erhalten, lässt uns - besonders das körperliche betrachtend - jenes sofort als stark oder schwach bewerten. Das ist uns allen eingeprägt und eingetrichtert: The winner takes it all! Damit sind aber die Notzustände von Hochsensiblen meist nicht verstanden - es braucht eine andere Sichtweise.


Von "Ich kann nicht mehr!" zu "Es ist mir zu viel!"


Die Not, die ich gerade selber erlebe, und die ich, wie ich meine, oft beobachte, ist folgende: Meine Not steckt weniger in der Rede: "Ich kann nicht mehr!" - als in den Worten "Es ist mir zu viel!" Ich sehe mich durchaus noch in der Lage, weitermachen zu können - worunter ich aber in meiner Handlungsfähigkeit zu grunde gehe, ist ein Übermass. Und nicht zu selten ist es - wenn es schwer paradox und damit kaum noch verständlich wird - ... nicht zu selten ist dies der Fall, wenn es mir "zu gut ergeht", wenn mir zu viel Gutes und Liebes, Aufmerksames und Geschenktes widerfährt. Dann nämlich vermag ich nicht mehr in meiner ganzen Präsenz "Danke!" zu sagen und schäme mich dann einfach. 

Was meine ich mit "zu viel"?

  • Jeder, der etwas Benzin im Blut hat, weiss, dass es dem ganzen Antriebssystem, dem Motor, dem Getriebe und vielen anderen Systemen nicht gut tut, wenn man beim Öl nachfüllen, zu viel Öl einfüllt.
  • Jeder, der unter Bluthochdruck leidet, nachts verschwitzt wach wird und das Herz übermässig rast, die Adern pulsieren, man meint, der Körper zerplatze, der weiss, dass "zu viel" nicht gut tut. Zu viel Essen. Zu viel Zucker. Zu viel Alkohol. Zu viel Salz. 
  • Jeder, der vom Urlaub zurückkehrt und seinen Briefkasten übervoll vorfindet, der weiss, dass die Situation am Briefkasten unmöglich wird, da eben "zu viel". Man kann nix mehr reinstopfen, wäre es noch so wichtig oder so arg zerfaltet und reingestopft. Was raushängt wird feucht oder geht verloren. Post und Nachrichten kommen nicht mehr an. 
  • Wem es je wo zu eng wurde, ob im Lift, im Konzertsaal, im vollen ICE oder Flugzeug, weiss, wie sich "zu viel" anfühlt. Man ringt nach Luft, man wünscht sich Abstand, Luft, Erleichterung, der Druck würde abgelassen. Lüften wäre toll. 
  • Jeder, der je einen Topf hat überkochen gesehen, weiss, was "zu viel" sein kann.


Was ist der Unterschied von "kann nicht mehr" und "zu viel"?


Natürlich bringt mich auch ein "zu-Viel" dahin, wo ich sage: "Ich kann nicht mehr!" - Aber das muss dann richtig vermittelt oder richtig verstanden werden. Denn ich bin dann meist nicht auf eine Weise beeinträchtigt, dass ich nicht mehr könnte. Ich könnte allenfalls durchaus - mein Körper-System würde noch funktionieren. Aber es wird durch eine Art
  • Overload / Überfrachtung
  • Overkill / Übermass
  • Hochdruck / Überdruck
  • Überhitzung
  • ein Über ... (meist an zu fühlenden Eindrücken, guten wie schlechten) überfordert
Der Unterschied dieses Ausscheidens ist nicht ein Abbruch meiner Leistungskurve, die durch eine Pause wieder gesteigert werden kann (körperlich-physikalische Erschöpfung), sondern es explodiert mein System nächstens - der Totalausfall ist absehbar und für mich fühlbar. Ich zerberste, meine Nerven überhitzen sich, überglühen, es zerfetzt mich. Dem entsprechend habe ich nicht nur Muskelkater oder einen lokalen Schmerz, sondern mein Schmerz ist nicht mehr auszumachen. Ich weiss nicht mehr wie sitzen, wie stehen, wie liegen. Mir ist heiss, kalt, zu hell und zu dunkel. Ich habe eine totalen Systemausfall, wenn es richtig arg wird. (Ich kann mich da heute davor bewahren - aber so ist es, wenn ich es weiter geschehen liesse). Auf meinen kleinen Körper runterprojiziert, kommt die Situation einem atomaren GAU - dem grösst anzunehmenden Unfall nahe. Das lohnt sich nicht. 


Mich schmerzen nicht Muskeln oder Bänder - mich schmerzen Wahrnehmungen, Empfindungen und Gefühle ... und alles, was ich mit meinen 5-6 Sinnen wahrzunehmen vermag.

Und ich möchte kurz allen schreiben: Dieser Schmerzzustand ist das Grauen. Denn von da an ist wirklich alles zu viel, was mich irgendwie belastet. Wenn dann aus Liebe jemand fragt: "Was möchtest du essen?" ist das zu anstrengend. 

So ist vielleicht zu erklären, warum Hochsensible eher wo weg müssen, Abstand suchen. Denn dieser Überdruck kann nicht linear abgebaut werden, wie Muskelermüdung. Er kann einzig wie verdunsten, einem Nebel gleich, einem abkühlenden System ähnlich, der Druck muss runter und raus.

Meine zusammengekommene Überfrachtung entstand aus
  • Unternehmenserfolg meiner Partnerin - wir freuen uns wie blöde
  • Erfolge meiner eigenen Arbeit - ich habe 2017 ein sagenhaft erfolgreiches Jahr
  • die tollen Feedbacks meiner Klientel
  • die Bestnoten für Projekte meiner Liebsten von Kunden
  • das Glücksgefühl der neuen Wohnung
  • das noch grössere Glücksgefühl, wie ich in den neuen Räumen arbeiten darf
  • die Freude über neue Aufgaben
  • die schönen neuen Möbel und Räume - das schöne Zuhause
  • die Begeisterung über die neue, frische, gesunde Küche, da wir einen Markt haben
  • alleine schon der hohe Genuss von feinsten Käsen vom Markt 
  • eine herzliche Hochzeitseinladung
  • eine ältere Dame besucht uns ein erstes Mal
  • etc. 
________


Gestern brachte mir meine Liebste einen wunderschönen Strauss auberginefarbener Pfingstrosen nach Hause. Pfingstrosen, die ich liebe. Ich konnte nicht mehr "Danke!" sagen. Ich konnte keine Freude mehr aufnehmen - und barst über diese Form von Verlust auseinander, ihr nicht danke sagen zu können. Vielleicht sollten wir Hochsensiblen eher vermitteln / sagen: 

"Es ist mir zu viel!
Es wird mir zu viel! -
Gerade weil es so schön und so gut ist.
Versuche das zu verstehen - es ist paradox. "



Von dem Moment an ist es wichtig, dass die Mitmenschen, besonders die Nahestehenden, 
  • nichts Neues mehr auftischen
  • keine Varianten anbieten, sondern das Übliche fortfahren, auch wenn das andere Vorteile hätte
  • keine Ausnahmen machen, das "Standard-Programm" laufen lassen
  • keinen Hype
  • keine Aktionen / Promotionen / Gelegenheiten / Zusätzliches
  • keine Gelegenheiten "noch schnell wahrnehmen"

Man kann das alles schon tun, aber nicht auf die Beziehung zum HS bezogen. Es ist in diesem Moment gar nicht so schlimm, den Menschen in seinem Hyper-Zustand alleine zu lassen. Machen Sie Ihr eigenes Ding, informieren bzw. berichten Sie weniger. Führen Sie nicht alles zu detailliert aus. Werden Sie etwas schweigsam oder knapper. Warten Sie mit Neuem. Hochsensible können Neues allenfalls nicht schon wieder aufnehmen, weil das Neue von gestern noch nicht innerlich nachrücken konnte. Wie soll sich ein HSP (hochsensible Person / highly sensitiv person) über das Neue von heute freuen, wenn das Neue von gestern noch nicht verdaut werden konnte?

Klar, als Fakt, als Information, als Kognitives ist das Neue von gestern aufgenommen - aber seelisch, gefühlt, wahrgenommen ist es das noch nicht. Da Hochsensible, dieses fühlende Wahrnehmen viel tiefer und intensiver "machen", bedeutet das zwei Dinge:

a) sie brauchen weniger Neues und

b) sie freuen sich viel länger über das Neue von gestern, vorgestern, letzter Woche, letztem Jahr.

Wenn Sie weiter einen physisch Erschöpften für einen 'Looser' halten, was weit verbreitet ist, nun gut. Aber denken Sie einmal darüber nach, welches Ihr ganz wunderbares Glück es ist, einen Hochsensiblen um sich zu haben, Menschen, die den Dingen - allen Dingen - eine ganz andere Tiefe und Qualität schenken, weil die das so intensiv wahrnehmen können.
Sie schätzen doch auch guten Geschmack, Bildschärfe, einen tollen Klang und ein sattes Fahrgefühl oder die Tiefe eines luxuriösen 1A-Fahrersitzes am Steuer eines feinen Wagens. Verstehen Sie Ihren Hochsensiblen "so"! Der braucht wie Rassehunde GENAU DAS (was auch immer) - und nicht x-beliebiges im Dauer-Übermass. Dafür beschenken diese Menschen Sie mit Wahrnehmungen und Bildern, Texten und Musik, Kunst und Stil, Mode und Geschmack, die Sie alleine vielleicht nie wahrgenommen hätten.

Hochsensible sind nicht zu selten Ihre Schöpfer aller Künste. 






27.04.2017

Hochbegabt? Hochsensibel?

Für mich
ist Hochsensibilität eine Fähigkeit, 
eine Intelligenz, 
ganz im Sinn einer hohen Begabung, 
einer Hochbegabung.

Vor zehn Jahren schon
schrieb ich,
es gibt ein denkendes Denken
und ein fühlendes Denken.
Es ist mehr so flüssig.

Jona Jakob - 2017

05.04.2017

"Vergessen Sie nicht!: - Wenn Sie darüber nachdenken müssen, dann muss der andere auch darüber nachdenken."

Diese Äusserung schnappte ich im Alltag auf. Ein Mitarbeiter wies seinen Vorgesetzten ausdrücklich und gut hörbar darauf hin. Es ging dabei um eine bauliche Problemlösung.

"Vergessen Sie nicht!: - Wenn Sie darüber nachdenken müssen, dann muss der andere auch darüber nachdenken."

Der Satz sass. Jedenfalls für mich. Denn in dem Satz ist eine für Hochbegabte tiefere Wahrheit versteckt, die, "so ausgesprochen vermittelt", einer lebensweisen Erfahrung gleich kommt. So, als wüsste man das als guten Ratschlag, Maxime und verbriefter Wert an "sozialer Kompetenz" - es war eine Ausdruck einer anerzogenen Konditionierung, sich "so" zu verhalten.

Der Chef solle also anhand der Selbstbeobachtung, zu lange oder zu kompliziert über einer Lösung zu grübeln im Auge behalten, dass sich dieses Verhalten in der Lösung wiederspiegle und damit der Kunde / Zuhörer / Empfänger der Botschaft selber anfange, die Sache kompliziert zu verstehen bzw. zu interpretieren. Das möge man bitte niemandem, wenn man sorgenfrei leben möchte, zumuten.

DAS ist die Aussage des Ratschlages: Man möge bitte - wenn man sorgenfrei und erfolgreich miteinander Geschäfte machen oder leben möchte - niemandem kompliziert erdachte Lösungen zumuten. 



Link zum Blog 'Normalo-Welt', wo das Thema ähnlich nochmals dargestellt wird:
http://normalowelt.blogspot.de/2012/08/losungsorientiert-vs.html


Das nenne ich Normalo-Kompetenz. Wissen, wie die ticken. Wissen, was die brauchen. Beachten, was die mögen. Oder verhindern, das Gegenteil zu erzeugen, nämlich zu nerven, in dem man sie in den meisten Fällen verunsichert, was dann ganz unterschiedlich als ablehnende Reaktion zu Tage tritt.

Es empfiehlt sich daher für Hochbegabte, dieser Weisheit Beachtung zu schenken. Denken Sie zuvor für sich, klamüsiern Sie es für sich selber aus. Aber wenn Sie es in Formen der Zusammenarbeit, Vorschläge, Lösungen, Anweisungen, Ideen und einfach zusammen leben einbringen, dann liefern Sie bitte eine Lösung, die Normalos NICHT dazu zwingt, anfangen zu müssen zu denken.

Normalos sind in der Regel weniger Lösungs-orientiert.
Vielmehr sind sie Problemlosigkeits-orientiert. 


Das klingt beim ersten Lesen unerträglich negativ und bewertend, aber ich schreibe das komplett bewertungsfrei und meine das ganz und gar nicht negativ oder irgendwie dümmlich - im Grunde genommen hat die Denken-befreite Strategie des Weiterkommens etwas Geniales, da diese den kleinsten gemeinsamen Nenner verlangt. Für begabte Menschen mag das langweilig und auch langsam oder unbedacht erscheinen. Für die Menschheit aber lässt sich dieser kleinste gemeinsame Nenner als little next step eines problemlösenden Miteinanders das naheste Miteinander und damit die beste Lösung darstellen - unterbewusst gefühlt und stark so empfunden, da man dabei komfortabel nix spürt - jedenfalls keinen Denk-Stress.

KISS - Keep it simple & stupid.

Und achtet euch mal: die weltweit erfolgreichsten Marktkonzepte basieren auf dieser Rezeptur. Verwechselt also nicht das Einfache mit dem Simplen.