13.09.2013

Wenn Sie dir "alles Gute" oder "das Beste" wünschen - was ist das für mich? - oder: Mein "Dankeschön!"

Gestern war wieder mal Geburtstag. Was erlebe ich diesen Tag in wohl allen Farben und Schattierungen. In all den Jahren zeigt sich dieser Tag in immer neuen Varianten und mir selber, mir selber entzog er sich meist jeder Konvention, dem des Gratulierens und Beglückwünschen.

An dieser Stelle möchte ich mich bei all euch lieben Menschen bedanken, die mir vor-, gestern und auch jetzt noch gratulierten und mir fürs neue Lebensjahr "alles Gute" und auch "das Beste" wünschten.

Was aber ist für ein bunte Seele wie mich "das Beste"? Was wünscht sich einer, der mit seinen Prägungen der Begabung und, und ich betone: und! seiner Sensibilität, sein Leben lang alles reinzog, was das Leben hergab? Was kann noch kommen, für einen, der mit 50 nach einem Ende des Lebens fragte, ohne tragische Absichten, mehr philosophisch, was nun, nach dem Abflachen des Lebens in technische Moderne seit 2000, was kann jetzt noch kommen? Die Menschen starren laufend auf Bildschirme, nehmen noch mit zwei Sinnen wahr, können sich kaum noch ausdrücken oder überhaupt über sich nachdenken. Und zu allem hinzu bedient eine Industrie uns Konsumenten mit dem Flachsten, dem Billigsten und dem Bequemsten in Häppchen, in mundgerechten Häppchen. Was also kann bei so einer gezüchteten Langeweile der Präventionen, der Vorsicht, der Fahrradhelme und Navigationsgeräte noch Spannendes in mein Leben gelangen, was für mich "das Beste" sein könnte?

Dieser gemeinen, teils ungerechten aber durchaus sinn'vollen Frage bin ich nachgegangen und auf eine Antwort gestossen, die mich ermutigt. Wenn ich mich selber als eine Art Fläche oder eine Baumkrone vorstelle, die ein Puzzle wäre, dann sind für mich, den immer und immer wieder alles Durchkauende, die spannensten, die verrücktesten, die intensivsten und wahnwitzigsten Dinge jene, die am äussersten Rand dieses Puzzles die fehlenden Teile darstellen. Dinge, Momente, Begebenheiten, welche aufsmal wie angegossen passen, passen zu all jenem, was mich schon ausmacht und mich bildet und baut und was eben ganz aussen an meinem Rand  mich noch grösser werden lässt, oder tiefer, runder, völler, unendlicher. Bloss keine Ende finden.

Wenn sich ein Hochbegabter und Hochsensibler etwas wirklich wünscht, dann ist es, nicht gefragt zu werden, was er oder sie sich wünsche, sondern beschenkt zu werden mit oder von einer Sache, die ganz da draussen in seinem Leben zu ihm passt, wie ein Massanzug.

Warum? Weil ihm das zeigt, wie bzw. dass er/sie von der schenkenden Person verstanden und gesehen wird. Es fängt schon damit an, dass die schenkende Person mit grosser Unsicherheit sich überwinden musste. Denn sie kann sich nicht sicher sein. Wie wenig braucht es, daneben zu liegen, wie heikel ist das Unterfangen? Doch den Mut haben, loszulassen und es zu wagen, und dann zu treffen bedeutet uns Hirnfuzzis meist alles.

Meine Liebste hat dieses Jahr eine wunderbare Story kreiert, indem ihr ein "Fehler" passiert ist. Mein Herzblatt weiss, dass ich die Solo-Konzerte von Keith Jarrett seit Jahren liebe und fast alle als CD höre. Eben letzthin wies ich sie auf den Wiki-Eintrag zum Köln Concert hin und zu der Erschöpfungsdepression, die sich Jarrett, vermutlich aufgrund dieser Improvisationen oder seines inneren Engagement, holte. Und eben, da stand dann auch, dass er nach 2000 in Tokyo und Osaka ein neues Solo-Konzert geben konnte, was weltweit mit Erleichterung aufgenommen wurde.

So beschenkt mich mein Engel mit der CD "Tokyo '96", mit Jarrett, Peacock & Dejohnette. Das war der "Fehler". Denn das, so muss man wissen, ist a) eine CD, die ich mir vor Jahren schon gekauft hatte, und b) es ist Jazz. Es ist das Jazz-Ensemble, mit dem Jarrett viele CDs aufgenommen hat. Es ist aber nicht das Solo-Konzert aus Tokyo nach 2000. Ich umarmte meine Liebe und erklärte ihr die Situation.

Weil wir nun den Umtausch erwägen, machten wir uns auf die Suche nach der richtigen CD bzw. dem richtigen Konzert - und was fanden wir heraus?

- Es gibt eine DVD vom Tokyo-Konzert, von 1985 (es gibt nur eine DVD, keine CD)
- Es gibt die CD 'Radiance', von 2005, welche die Solo-Mitschnitte von Tokyo und Osaka als Doppel-CD wiedergibt (das ist die gesuchte CD)

Und mit diesem kleinen Suchkrimi sind wir beide am äusseren Rand meines Seins um ein Stück reicher geworden. Wir werden 'Radiance' bestellen, auf das mein Hören an der Stelle wächst, ob in die Weite oder Tiefe meines Lebens, verpackt, in diese wunderbare kleine Geschichte, die die Liebe zwischen mir und meiner Besten wärmend und lebensfroh ummantelt.

Und wenn wer mag, kann er oder sie sich bei mir melden - was würde es mich freuen, wenn Keith Jarrett, Gary Peacock und Jack DeJohnette für ihn oder sie jenes Stück Jazz wären, welches den nächsten Sonntag schmissiger machen würde. Schreib einfach, lass uns teilen.

Ich danke fürs Wanken, für jene Schritte, die uns nicht sicher sind.

Aber was ist nun "das Beste", was man mir fast 100mal wünscht?

"Das Beste", das ist, was zu mir passt, als wärs meins, so wie ich bin.


Jona Jakob,
Zürich und Bern

Und falls euch Jarrett sonst eher anstrengend erscheint, dann geniesst von ihm diese Streicheleinheit:
http://www.youtube.com/watch?v=oB9KsaTjgxM&feature=related